Hoi F.
Wir fahren gerade den Kurilen entlang
gegen Kamtschaka und morgen oder übermorgen zwischen den Aleuten
durch ins Beringmeer hinauf. Und ich hatte gehofft, auf meiner
Seereise Hawaï zu sehen. Was auf der Landkarte gerade erscheint ist
auf der Kugel ein Bogen und umgekehrt. Jetzt weiss ich es, der
kürzeste Weg von Schanghai nach Los Angeles führt tatsächlich über
Alaska. Ich lerne vieles oben im Steuerhaus und im Kartenhaus.
Ich bin sehr frei auf diesem Schiff.
Heute sass ich auf der Brücke hinter den grossen Radarschirmen im
bequemen Steuerstuhl und habe mit dem wachthabenden Ersten Offizier
geplaudert. Später habe ich unten irgendwo den Abfallraum entdeckt,
wo ein grosser Verbrennungsofen heult. An den Wänden hängen Tafeln,
wo man noch was über Bord werfen darf.
Auf den Aussentreppen und den
Plattformen bin ich vorsichtig geworden, der Sturm kann mich
wegdrücken. Am ersten Tag bin ich noch frech auf den Bug geklettert
und habe auf den grossen Knollen unten im Wasser hinab geschaut.
Jetzt hat es nur noch +1 Grad, morgen schneit es vielleicht schon.
Zum Glück habe ich wegen Moskau warme Sachen eingepackt.
Ich spanne aus, meditiere, denke nach,
schreibe in mein Pazifisches Tagebuch und schreibe Pazifische Briefe.
In meinem Gepäck habe ich nur zwei kleine Bücher, eines mit der
täglichen Weisheitsgeschichte, und das "Happyness Projekt".
Mein Eurasisches Tagebuch ist voll geschrieben, das Pazifische ist
unstrukturiert: mit Ideen, Einsichten, Arbeitsplänen (zB heute Abend
Sauna), Fragen, Lebensplänen.
Jetzt kommt es mir wieder in den Sinn:
wir fahren ja so weit ins Beringmeer hinauf, weil wir dem schweren
Sturm im Nordpacific ausweichen. Auf der Plattform vor meinem
Fenster heult der Sturm wie um eine alten SAC Hütte. Ich habe hier
aber eine wunderbare Heizung. Von den Scheiben tropft das
Kondenswasser wie wenn Fritz auf Frosen Spaghetti macht.
Morgen zeigt mir mein Tischnachbar, der
erste Engineer, den Maschinenraum mit dem Zwölfzylindermotor, der
95'000 PS leisten kann. Da habe ich aber lange drauf warten müssen.
Ich habe jetzt schon 1000 Fragen. Ob man in diesem Lärm überhaupt
sprechen kann? Man spricht jetzt nicht mehr Chinesisch, dafür
Norddeutsch und Seemannsenglisch. Auch eine Containerseefahrt ist
voller Überraschungen.
Ich will einmal mit geschlossenen Augen
einfach nur Hören anstatt Aufpassen und Verstehen. Dafür ist diese
Nacht nun wie geschaffen. Bei euch ist es ja noch früh. Hier wird
uns jede Nacht eine Stunde abgezwackt. Dafür ist es an der
Datumsgrenze dann zweimal hinter einander Sonntag, den 13.Mai,
Muttertag. Mir wird hier etwas geboten.
Liebe Grüsse aus der tosenden
Dunkelheit in der Nähe der Russischen Kurileninseln
Hansjörg, A.R.A.S
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen