Pacifischer Brief
Liebe Freunde,
vor 2 Tagen war ich in Shanghai und
nicht in Shanghai. Unser Schiff lag am neuen sieben Kilometer langen
Containerkai, und ich konnte nicht von Bord gehen. Für den neuen
Hafen haben sie im Meer draussen, 100 km vor der Stadt, auf einer Insel den Berg
weggesprengt und auf den Resten den neuen Containerhafen gebaut,
verbunden mit einer 35 km langen Autobahnbrücke. Für 300$ hätte
mich der Schiffsagent zwar in die Stadt und wieder zurück gebracht.
Darauf habe diesmal ich verzichtet.
Jetzt sitze ich in meiner Suite
an einem der Schreibtische, 31m über dem Wasser. Vorhin haben wir
gerade ein anderes Schiff überholt. In zwei Stunden will ich auf die
Brücke gehen, um wenigstens die Lichter von Japan zu sehen, wenn wir
zwischen den Inseln in den Pacific hinaus fahren werden.
Vorher gehe ich noch in die Sauna, ich
habe sie vor dem Essen angestellt. Ich führe jetzt ein ruhiges Leben
als der einzige Passenger an Bord, neben 23 Mann super Besatzung. Und
der hat die schönste Kabine erhalten, egal was er gebucht hatte. Und
der Captain sitzt am Tisch zu meiner Linken.
Ich bin nicht mehr so viel draussen,
der Wind ist sehr stark geworden, und im Nordpacific soll es dann
noch richtig kalt werden. Ich habe gemeint, wir würden über Hawaii
fahren, aber der kürzeste Weg führt an Alaska vorbei. So kommen die
warmen Kleider, die ich für Moskau eingepackt hatte, schon wieder
zum Einsatz.
Ich höre meine Lieblingsmusik und
Bach, ich lese in meinen zwei philosophischen Büchern, ich mache
Meditationen, und ich habe viel Zeit zum Nachdenken. Ich schwatze mit
der Besatzung aus aller Welt und lerne dabei viel über die Seefahrt
und über die Menschen.
Wir kreuzen gerade wieder ein
Riesenschiff. Mit 343m Länge sind ja auch nicht klein.
Ich will hier über mein Leben
nachdenken. Weniger über das gelebte als über das weitere. Ich
halte mich da an den Refrain meines Sächzgi Blues'
Was gsii
isch, isch verbii,
jetzt freu
ich mich ufs Neu.
I bi en Leu!
Da kommen gute Ideen zusammen. Nicht
weite, eher innere Reisen, ins Herz und so. Das Leben fängt ja jeden
Morgen wieder ein Wenig neu an.
Die Sauna ist parat.
Liebe Grüsse, bald aus dem Pacific
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